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Basteln, häkeln, singen, 50 Jahre Porsche 911 (1)-1800

Published in radical-classics.com

50 Jahre Porsche 911 (1)

Eine kleine Serie zum 50. Geburtstag des Porsche 911, Jahr für Jahr, mit einigen Seitensprüngen - zu Beginn wollen wir uns aber nicht dem Auto, sondern seinem Designer widmen, Ferdinand Alexander Porsche, genannt «Butzi».

Da zeichnet einer eines der grossartigsten, schönsten Automobile aller Zeiten, den Porsche 911, und dann sagt er diesen Satz: «Mein Traumauto ist eigentlich ein Jaguar». Allein schon diese Aussage zeigt auf, das Ferdinand Alexander Porsche, geboren am 11.12.1935, verstorben am 5.4.2012, ältester Sohn von Dorothea und Ferry Porsche, so ein bisschen anders war als andere Mitglieder der Familien Porsche und Piëch. Genannt «Butzi», war F.A. Porsche zwar immer dabei, wenn es darum ging, die Interessen der Familien zu verteidigen, er war in den schwierigsten Jahren des Unternehmens Porsche Vorsitzender des Aufsichtsrats und half, die Firma wieder auf die richtige Bahn zu bringen; er war es, der Wendelin Wiedeking wieder zur Porsche zurückholte. Doch als die Familienmitglieder Anfang der 70er Jahre so richtig Knatsch hatten untereinander - Auslöser war, in verschiedener Hinsicht, Ferdinand Piëch - und sich geschlossen aus dem Unternehmen zurückzogen, da schaffte F.A. den grössten Abstand, er begründete seine eigene Firma und dann auch sein ganz eigenes Vermögen.

Es sei hier nicht die ganze Familiengeschichte erzählt. Aber ein paar Worte müssen schon sein. Es begann alles mit Ferdinand Porsche (1875-1951), ein genialer Konstrukteur und Autobauer, der 1930 sein eigenes Unternehmen gegründet hatte. Porsche war Österreicher, die «Dr. Ing. h. c. F. Porsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Konstruktionen und Beratungen für Motoren und Fahrzeugbau» hatte ihren Sitz aber in Stuttgart. Ab 1934 konstruierte Porsche den KdF-Wagen und half entscheidend mit beim Aufbau des Volkswagen-Werks. Ferdinand Porsche hatte mit der Aloisia Johanna Kaes zwei Kinder, die Louise, geboren 1904, und den Ferry, geboren 1909.F.A. Porsche

Ja, den 904 hat er auch gemacht.

F.A. Porsche

Coole Truppe.

Es war dann der Ferry, eigentlich Ferdinand Anton Ernst Porsche, der das Unternehmen Porsche, wie wir es heute kennen, so richtig anschob, er konstruierte während der Kriegsgefangenschaft seines Vaters den späteren 356er. Und er schloss ein Geschäft ab mit Volkswagen, das den Reichtum der Familien Porsche und Piëch begründete: Porsche erhielt bis Ende 1954 für jeden produzierten Käfer eine Lizenzgebühr von 5 D-Mark (das verschaffte der jungen Firma frische Finanzmittel), ausserdem musste Volkswagenwerk Porsche die benötigten Teile für dessen geplante eigene Autoproduktion liefern (dies ermöglichte den Stuttgartern, eigene Sportwagen zu bauen, obwohl sie kaum Mitarbeiter und nur kleine Produktionsanlagen hatten), und schliesslich erhielt Porsche in Österreich die Generalvertretung für VW-Modelle (der Grundstock für ein Handelsunternehmen, das heute Autos fast aller Marken des VW-Konzerns verkauft und über 15 Milliarden Euro Umsatz erzielt).F.A. Porsche

Ja, den 904 hat er auch gemacht.

F.A. Porsche

Coole Truppe.

F.A. Porsche
F.A. Porsche
F.A. Porsche
Ferry war verheiratet mit Dorothea und hatte vier Söhne, Ferdinand Alexander, Gerhard (geboren 1938), Hans-Peter (geboren 1940) und Wolfgang (geboren 1943). Louise heiratete einen Wiener Rechtsanwalt, den Anton Piëch. Das Paar hatte auch vier Kinder, die Söhne Ernst (geboren 1929), Ferdinand (geboren 1937) und Hans-Michel (geboren 1942), dazu noch die Tochter Louise (geboren 1932). Louise und Anton plazierten ihre Söhne in einem äusserst Internat in der Schweiz, Ferry hingegen schickte seine Söhne auf die Waldorfschule, wo sie ganz im Sinne des Anthroposophen Rudolf Steiner erzogen wurden: «Das Kind in Ehrfurcht aufnehmen, in Liebe erziehen und in Freiheit entlassen.» Ein Mitglied des asketischen Piëch-Clans sollte später über die Ausbildungsschwerpunkte des anderen Familienzweigs spotten: «Basteln, häkeln, singen.»

Ferdinand Alexander Porsche wuchs in Stuttgart auf, sein Spielplatz waren die Konstruktionsbüros seines Vaters und Grossvaters. Nach der Schule schrieb er sich zwar auf der Schule für Gestaltung in Ulm ein, doch nach zwei Semestern hatte er bereits genug und wechselte ins Familienunternehmen. «Butzi zeigte sehr bald ein beachtliches Talent für das Styling», erinnerte sich Ferry Porsche in seinen Memoiren an die Anfänge seines Sohnes bei Porsche. Das war im Jahre 1958 - und gleich sein erster Entwurf, der T7, sollte weitreichende Folgen für das Unternehmen haben. Denn im T7 sieht man schon sehr gut den späteren 911er. Chefdesigner bei Porsche war aber damals noch Erich Kommenda, der für Grossvater Ferdinand Porsche schon den Käfer gezeichnet hatte, die Leitung der Kreativ-Abteilung übernahm F.A. Porsche erst 1962.

Woher die Gerüchte auch immer kamen – man darf annehmen: aus der Anti-Basteln-Häkeln-Singen-Fraktion, denn man war in den Familien Porsche/Piëch einer Intrige weder je abgeneigt noch abhold -, doch es gab immer wieder Stimmen, welche die Beteiligung von F.A.Porsche am 911er-Design in Abrede stellten.F.A. Porsche

Ja, den 904 hat er auch gemacht.

«Butzi» lächelte dazu immer nur wissend, und unterdessen wird kaum mehr in Frage gestellt, dass die Ur-Form wirklich von damals noch jungen F.A. Porsche stammte. Es heisst in manchen Quellen aber auch, dass das lange Fliessheck nicht nach seinem Geschmack gewesen sei, dass Ferry Porsche aber darauf beharrt habe. Wenn man sich den T7 anschaut (was in dieser Serie dann noch ausführlich geschehen wird...), dann könnte das tatsächlich stimmen, aber den genauen Ablauf des Design-Prozesses werden wir wohl nie mehr erfahren, denn «Butzi» ist ja im vergangenen Jahr verstorben, und alle anderen Beteiligten sind, zumeist zumindest, schon länger nicht mehr unter uns.

Egal. Mit dem Porsche 911 hat F.A. Porsche eine Ikone des Industrie-Designs geschaffen. Man muss diese Entwürfe aus den späten 50er und frühen 60er Jahren unbedingt auch im Zusammenhang mit der Zeit und der Konkurrenz sehen. Die Amerikaner, damals unbedingt führend in Sachen automobiler Geschmacksbildung, erlebten gerade den Wahnsinn (59er Cadillac und Chevrolet...) sowie die Abkehr davon, in Italien war eine neue Generation von Designern am Werk, die zwar auch amerikanisch beeinflusst war, aber halt in erster Linie die unendliche Eleganz mit all ihren Auswüchsen pflegte. Und da stellte Porsche ein Fahrzeug hin, das in seiner Schlichtheit kaum mehr zu übertreffen war. «Ein formal stimmiges Produkt braucht keine Verzierung», sagte «Butzi» später dazu (und er sollte die 911er, die später immer dicker wurden, deshalb dann auch kritisieren). Der 911er war schon bei seinem ersten Auftritt ein Klassiker (damals war er noch der 901er): «Einen typischen Porsche kann man anfassen. Er hat einen Körper. Er ist eine Sie», erklärte er seinen Entwurf ein anderes Mal. «Er fährt, auch wenn er steht», sagte Otl Aicher, ein anderer grosser Designer jener Zeit, über den Porsche 911. Und warum fuhr Ferdinand Alexander selber nur selten sein bestes Stück? Zitat «Butzi»: «Ich hab ihn ja g'macht.»

Gezeichnet hat «Butzi» aber auch den Formel-1-Renner Typ 804 und den wunderbaren 904 Carrera GTS. Und später dann, nachdem er 1972 aus der Firma ausgeschieden war, Herren-Accessoires, Brillen, Füller, vor allem aber Uhren. Auch da schuf er einen ewigen Klassiker, die «Indicator», die wohl komplizierteste Uhr, die in Serie hergestellt wird (von Eterna, einem Unternehmen, das F.A. Porsche einst gehörte). Doch «Butzi» gehörte eigentlich gar nicht in diese Glitzerwelt, auch wenn Wiedeking einmal sagte: «Ferdinand Alexander Porsche hat alles gestaltet, was Männern wichtig ist.» Er ging lieber wandern mit seiner Frau, die er im Alter von 15 Jahren kennengelernt und sieben Jahre später geheiratet hatte, kraxelte auf Burgen und Schlössern herum und sah sich alte Western an. Oder fuhr: Jaguar.

Mehr Porsche (und auch Jaguar) gibt es im Archiv.

 

Original: radical

 

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