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Welches Schweinderl?, Interview Adolfo Orsi-1778

Published in radical-mag.com

Interview Adolfo Orsi

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Für manche Menschen ist ihre Geschichte eine Last. Adolfo Orsi, geboren 1951, ist dagegen immer noch wie der kleine Junge, der mit 5 Jahren von seinem Vater ein winziges Maserati-Elektroauto geschenkt erhielt und mit einem zwar zu grossen, aber echten Renn-Helm durch den Garten des Familien-Anwesens fuhr. Maserati, das ist sein ganz grosses Thema, eine lebenslängliche Lust - was als Enkel von Adolfo Orsi, der Maserati 1937 gekauft hatte, als Sohn von Omar Orsi, der den Modeneser Sportwagenhersteller bis 1968 geleitet hatte, wahrscheinlich nicht ganz selbstverständlich ist. «Mein Bruder», erzählt Orsi, der so grossartig erzählen kann, «interessiert sich überhaupt nicht für unsere Geschichte, er interessiert sich nicht einmal für Automobile.»

Mit 14 erhielt Orsi sein erstes Motorrad, mit 17 schlug er vor, dass ein neues Maserati-Modell Indy heissen sollte (was auch angenommen wurde), er studierte dann Recht und erlebte 1971 den Verkauf von Maserati an Citroën hautnah mit, er fuhr 1972 bei der Rallye Monte Carlo mit, einigermassen erfolglos, er begann danach eine Liebesaffäre mit den Motorrädern von Laverda, während er die Geschäfte seiner Familie leitete. Mitte der 80er Jahre beschloss Adolfo Orsi, dass er sein Leben den klassischen Automobilen widmen wollte. «Es war eine aufregende Zeit», erzählt er, «damals konnten die Ferrari ihre Preise quasi jährlich verdoppeln, man konnte sich Geld von der Bank leihen, einen Ferrari kaufen, ein Jahr warten - und das Fahrzeug dann mit grossem Profit weiterverkaufen. Ende der 80er Jahre wurde es den echten Sammlern aber zu viel, zu teuer, die Investoren versuchten, die Autos noch zu jedem Preis zu verkaufen - der Markt brach komplett zusammen.»

In den vergangenen sechs Jahren ging es wieder aufwärts, stark aufwärts. «Aber wenn man etwa die Preise ansieht, die heute für einen Ferrari 365 GTB/4 Daytona erzielt werden, dann ist man inflationsbereinigt erst jetzt wieder dem gleichen Niveau wie Ende der 80er Jahre», nennt Orsi ein schönes Beispiel. Doch er sagt auch: «Man muss aber schon auch sehen, da ist viel passiert auf dem Markt, nicht nur die Quantität wurde viel höher, auch die Qualität der gehandelten Fahrzeuge wurde in den letzten Jahren immer besser. Das Fundament ist heute viel besser und auch breiter als Ende der 80er Jahre.» Was gemäss Orsi auch damit zu tun hat, dass sich die Hersteller immer mehr auf dem Markt engagieren, dass zum Beispiel Ferrari, Mercedes oder Porsche eigene Klassik-Abteilungen unterhalten.





Und es hat unter anderem auch damit zu tun, dass die Kundschaft in den vergangenen Jahren deutlich jünger geworden ist. Früher, da war ein Rolls-Royce Silver Ghost der Höhepunkt im Leben eines jeden Sammlers. Doch diese Fahrzeuge aus den 20 und 30er Jahren sprechen heute in erster Linie eine ältere Kundschaft an, während ein Ferrari 275 GTB/4, ein Lamborghini Miura oder auch ein Porsche 911 RS zum Teil sehr junge Käufer begeistern können. «Diese Sportwagen aus den 60er und 70er Jahren, und natürlich auch die Youngtimer, sind bedeutend einfacher zu fahren und zu unterhalten als etwa Vorkriegsmodelle. Und es kommt natürlich dazu, dass gerade diese jüngeren Sportwagen die Traumautos der Kindheit waren bei der jüngeren Klientel.» Ist es auch damit zu erklären, dass zum Beispiel die Porsche in den vergangenen zwei Jahren derartige Preissprünge nach oben machten? Orsi: «Es sind nicht nur die Porsche, das gilt auch für Lamborghini, Maserati und Aston Martin, da fanden schon deutliche Preis-Korrekturen nach oben statt. Aber die besten Marktindikatoren sind und bleiben schon die Ferrari.»

Aber wird der Trend nach oben noch weiter anhalten - oder steht der Oldtimer-Markt wieder vor einer Überhitzung? Orsi meint feststellen zu können, dass es Mitte des vergangenen Jahres eine Verlangsamung gegeben hatte, dass der Markt für einige Monate zu einem Stillstand kam. Doch in den vergangenen sechs Monaten ging es wieder deutlich vorwärts, etwa an der bereits legendären Versteigerung der «Baillon»-Sammlung in Paris Anfang des Jahres: «Da sind sicher einige Käufer am nächsten Morgen aufgewacht - und hatten das Gefühl, am Abend vorher unter Drogen gekauft zu haben. Aber der Enthusiasmus ist derzeit wieder grossartig. Auch deshalb, weil sich die Auktionshäuser gegenseitig überbieten mit einmaligen Fahrzeugen.»
Adolfo Orsi reist um die ganze Welt. Er ist einer der wenigen weltweit absolut respektierten Juroren bei den Concours d'Elegance, sei es in Villa d'Erba am Comer See, sei es in Pebble Beach an der amerikanischen Pazifikküste. Selbstverständlich kann auch ein Orsi nicht die Geschichte eines jeden Fahrzeugs kennen, doch der Italiener ist bekannt dafür, dass er sich akribisch vorbereitet. Er hat da auch seine ganze eigene Meinung, was die Originalität von Fahrzeugen angeht, schon 1997 rief er den FIVA Award in Pebble Beach ins Leben, mit dem das besterhaltene unrestaurierte Fahrzeug ausgezeichnet wird. Orsi: «Natürlich kommt es stark auf den Markt an, in den USA zählt Perfektion weiterhin mehr als Originalität. Doch zum Glück konnte sich in den vergangenen Jahren immer mehr die Haltung durchsetzen, ein Fahrzeug «dans son jus», wie man in Frankreich sagt, zu behalten. Also in seiner originalen Farbe, mit der Patina im Interieur, mit der Mechanik aus der Zeit. Denn es ist ja auch klar, dass ein Fahrzeug bei jeder Restauration einen Teil seines Charakters, seiner Geschichte verliert.»

Und dann natürlich die Frage: Was würden Sie denn zum Kauf empfehlen, Herr Orsi, welches sind die Fahrzeuge, die am meisten Potenzial haben? Orsi, lächelnd: «Lassen Sie sich nie von irgendwelchen Prognosen leiten oder von Ratschlägen von so genannten Spezialisten. Kaufen Sie immer nur das, was Ihnen Spass macht - und achten Sie unbedingt auf beste Qualität. Wer einen Klassiker kauft, der ihm Freude macht, beim Fahren oder nur schon bei Anschauen, der wird immer seine Befriedigung haben. Und wenn sich der Kaufpreis dann auch noch als gutes Investment herausstellt, dann ist die Freude um so grösser.»

(Wir haben diese Story einst für die Credit Suisse geschrieben, die sich ja auch im Bereich der Klassiker engagiert, siehe: hier.)

Schöne Klassiker gibt es immer auf www.radical-classics.com. Und wir empfehlen im Zusammenhang mit Orsi auch gerne unsere wunderbare Reihe zu 100 Jahren Maserati.