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Wie ich fast den Weltrekord brach, Ruch, wie er lenkt und denkt-1373

Published in radical-mag.com

Ruch, wie er lenkt und denkt

Das Leben ist: anderswo?

Nardò. Das ist, übrigens: Nardoooh, nicht Naaahrdo. Ein Mythos, eine 12 Kilometer lange Kreisbahn in der süditalienischen Pampa. Volles Rohr geht da, dauernd rundrum, fahrerisch extrem anspruchsvoll. Mercedes hat da vor 30 Jahren einen sagenhaften Weltrekord gefahren, 50'000 Kilometer mit einem Schnitt von, aber lesen die Story doch: hier. Zum Jubiläum war ich auch da, in Nardoooh, Mercedes stellte eine Reihe von 190ern und C-Klassen an die Strecke, zwei Dutzend Journalisten durften sich drum prügeln, wer denn nun in welchem Auto ein paar Hundert Meter Slalom wedeln darf sowie ein unglaublich wildes Ausweichmanöver fahren.

Der Höhepunkt aber: die Kreisbahn. Ja, wir durften tatsächlich auf die legendäre Kreisbahn. Diesen Mythos, diesen Wahnsinn, der heute Porsche gehört und von fast allen Autoherstellern für Hochgeschwindigkeitstests genutzt wird. Nicht bloss das Handy und die Kamera hatte ich abgeben müssen am Eingang, sondern auch noch meine Brille, damit ich auch ja keinen der geschätzten 250 Prototypen erkennen konnte.

Ich erschlich mir dafür, für die Kreisbahn, durch fiese Tricks, Mobbing, hinterfotzige Lügen, zwei Blutgrätschen, einen grimmigen Blick samt gefletschter Zähne sowie handfeste Drohungen und, vor allem, mehrstündiges Ausharren beim Wagen - halt allem, was normalerweise den teutonischen Motor-Journalisten auszeichnet - das wahre Hammer-Gerät, den Höhepunkt der ganzen Show: Mercedes-Benz 190, Jahrgang 1984, 2 Liter Hubraum, wild kreischende 90 PS, ein schon beinahe krankhaftes maximales Drehmoment von 165 Nm bei 2500/min.

Aussen silber, innen Jägergrün, Stoff, selbstverständlich händisches 5-Gang-Getriebe mit Schaltwegen so lange wie der Panama-Kanal. Manuell bedienbares Schiebedach mit Chromgriff, sehr hübsch. Und ein Sound, unglaublich, da kann nicht einmal die kaputte Nähmaschine meiner Schwiegermutter mithalten.

In Einerkolonne fuhren wir dann zur Strecke. Erstes Briefing. Weiterschleichen. Safety-Briefing. Foto-Termin. Video-Termin. Wiederholung sämtlicher Briefings. Und dann, dann, dann ging es wahrhaft los. Vorne das Kamera/Video/Foto-Auto, dann der Safety-Car, dann ich. Im 190er. Erster Gang. Einatmen. Zweiter Gang. Ausatmen. Dritter Gang, Einatmen. Vierter Gang. Dann auch noch: Fünfter Gang. Durchatmen. Höchstgeschwindigkeit: 120 km/h. Die erreichten wir tatsächlich, kurz, etwa 500 Meter. Dann wieder totale Safety. Eine Runde, genau: eine Runde. Rund zwei Kilometer vor dem Ziel dann noch ein Gipfel im Leben eines jeden Motor-Journalisten, ein weiterer Höhepunkt: wir gehen vom Gas. Ganz sanft, nicht, dass wir oder das Automobil oder der Asphalt noch erschrecken könnten, wenn dann da weiter vorne die Ausfahrt kommt. Dann: Sehr sicheres, sehr sauberes Abbiegen von der Strecke, Debriefing, hinter dem Safety-Car zurück zur Lounge.

Mann, war ich fertig. Beinahe hätte ich den 30-jährigen Weltrekord gebrochen. Adrenalin pur. Wahnsinn. Schlaflose Nächte werden meine Zukunft prägen. Meinen Urenkeln werde ich davon erzählen, die Fotos werde ich in echtem Gold rahmen lassen, einen Altar dafür erstellen. Und Sie durften hier gerade Zeuge werden eines unglaublichen Abenteuers, auch Ihr Leben wird nach der Lektüre dieser Zeilen nicht mehr so sein wie es noch nie gewesen ist.


Mercedes W201

Zeit-Zeugen.

Mercedes W201

Text: pru., Fotos: Werk

Original: radical

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