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Chevrolet Tahoe: Ach Du dickes Ding

Published in motosound.de

Der weiße Riese: Fast 5,20 Meter lang und reichlich Platz für sieben Insassen – so baut man ein SUV, das wirklich Full-Size ist.

Hierzulande gibt es das Auto zwar nur beim freien Importeur, doch in den USA ist der Chevrolet Tahoe buchstäblich dick im Geschäft. Zusammen mit seinem großen Bruder namens Suburban dominiert er seit Jahren die SUV-Zulassungen in Nordamerika, beide Modelle kamen zuletzt auf einen Marktanteil von fast 50 Prozent. Davon können hierzulande uns Mercedes M-Klasse, BMW X5 oder VW Touareg nur träumen. Kein Wunder, dass die US-Autowelt für einen kurzen Moment den Atem anhält, wenn der General aus Detroit seine Truppen neu sortiert und die nächste Generation des Tahoe ins Feld führt.

Dabei haben sich die US-Autobauer ihrer traditionellen Stärken besonnen und vielleicht zum letzten Mal ein SUV alter Schule auf die bis zu 22 Zoll großen Räder gestellt. Denn auch wenn es jetzt interessante Dinge wie eine Zylinderabschaltung oder eine elektrische Servolenkung gibt, ist der ab sofort noch prunkvoller gezeichnete Tahoe ein antiquiertes Stahlross von stattlichen 5,18 Meter Länge mit althergebrachtem Leiterrahmen und einem nagelneuen V8-Motor, dem nie, aber wirklich nie die Puste ausgeht. Dafür stehen 5,3 Liter Hubraum, aus dem Kolben – groß wie die Fäuste eines Kirmesboxers – bis zu 355 PS Leistung und bärige 519 Nm Drehmoment prügeln. Da kann die sechsstufige Automatik noch so weich und teigig schalten: Wenn man beherzt auf das riesige Gaspedal latscht, neigt sich der funkelnde Chromkühlergrill ein wenig dem Himmel entgegen, die Erde bebt für einen Moment ganz sanft und unter ohrenbetäubendem Lärm kommt die Fuhre in Fahrt wie eine Lawine aus Stahl: Von 0 auf 100 in grob gemessenen 9,5 Sekunden – das ist für ein Auto, das 2,6 Tonnen wiegt, kein schlechter Wert. Und auch die Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h kann sich sehen lassen.

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My car is my castle: Am Steuer des Tahoe fühlt man sich wie in einer Burg auf Rädern.

Oft sollte man das Beschleunigungsvermögen allerdings nicht ausreizen. Sonst ist der riesige 100-Liter-Tank schneller leer als der Getränke-Vorrat an Bord, den man in knapp einem Dutzend Getränkehalter im Auto bunkern kann. Rollt man dagegen schön gemächlich mit ruhigem Puls und niedrigem Blutdruck dahin, ist der Tahoe fast schon ein sparsames Auto, weil er dann die meiste Zeit nur auf vier Töpfen brennt und so vielleicht doch mit weniger als zehn Litern auskommt.

Lässiges Cruisen, das ist nicht nur die kostengünstigste, sondern auch die komfortabelste Art der Fortbewegung. Dann schluckt die Magnetic Ride Federung wirklich jede Bodenwell, bettet einen wie auf Wolken und man hält den Kurs so entspannt wie ein Kapitän auf seinem Ozean-Dampfer. Ja, der Tahoe kann auch schneller. Aber dann wird’s am Steuer ziemlich anstrengend. Und in engen Ortsdurchfahrten fühlt man sich schnell wie in einem Gelenkbus. Fehlt nur noch, dass gleich jemand die Fahrscheine kontrolliert.

Dass unter der hohen Motorhaube ein riesiges Kraftwerk an der Arbeit ist, hört man im Innenraum nur von weitem. Und auch sonst fühlt man sich der Welt seltsam entrückt, sobald die schweren Türen ins Schloss gefallen sind. Man fährt gut gedämmt in einer Kabine, fast größer und geräumiger als das eigene Wohnzimmer. Man thront regelrecht auf molligen Sitzen und genießt mehr Annehmlichkeiten als in einer Hotelsuite: Jeder Handgriff wird elektrisch unterstützt, die Klimaanlage wechselt in Sekundenbruchteilen zwischen Arktis und Sahara, die Ablagen erreichen die Dimensionen kleiner Einbauschränke, es gibt ein Dutzend Steckdosen an Bord und eigentlich fehlt nur noch der Buttler, der auf Knopfdruck aus der Mittelkonsole klettert – Platz genug dafür wäre vorhanden.

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Nach alter Väter Sitte: Von wegen Downsizing – unter der riesigen Haube arbeitet ein V8-Motor mit 5,3 Liter Hubraum.

Wie so oft bei US-amerikanischen Autos sind Glanz und Gloria des Tahoe ein wenig oberflächlich: Ja, es gibt überall Lack und Leder – aber eben auch billigstes Plastik. Da glänzt der Wagen mit einem riesigen Mutli-Media-Center mit Touchscreen, Appstore und Hot-Spot, oder mit Blue-Ray-Monitoren über den hinteren Sitzreihen, doch die Assistenzsysteme sind allenfalls Standard. Und wer zur Hölle hat die hässlichen Uhren genehmigt, die kein bisschen in das ansonsten richtig schmucke Cockpit passen.

Das ist schade. Aber irgendwie muss man das auch verstehen. Denn so groß, protzig und wuchtig der Tahoe auch erscheinen mag, er ist im Grunde ein spottbilliges Auto. Die Preise in den USA für die Basisversion mit Hinterradantrieb liegen bei 46.000 Dollar oder umgerechnet 33.000 Euro. Und selbst wenn da noch die lokale Steuer draufkommt und die Top-Version mit Allradantrieb und allen Extras schon 59.000 Dollar kostet, ist der Koloss ein Schnäppchen. Ein halbwegs vergleichbarer Mercedes GL kostet beim US-Händler zehn Prozent mehr.

Für europäische Verhältnisse hoffnungslos überdimensioniert, fast schon obszön motorisiert und irgendwie aus der Zeit gefallen, gibt es den Tahoe in Deutschland nur bei den freien Importeuren. Und die lassen sich den Exoten gut bezahlen und verlangen für das voll ausgestattete Top-Modell ab 60.000 Euro aufwärts. Doch selbst dann ist die Wuchtbrumme noch billiger als ein Mercedes GL oder ein Audi Q7, jene Typen, die dem Tahoe als einzige deutsche Geländewagen halbwegs das Wasser reichen können.

Allerdings hat General Motors mit dem neuen Tahoe das Pulver noch nicht verschossen. Denn es dauert nur noch ein paar Monate, dann gibt es das Modell auch im feinen Zwirn, mit noch mehr Leistung und noch mehr Luxus: es trägt dann den Namen Cadillac Escalade. Und dieses Auto gibt es dann nicht nur in den USA, sondern ganz offiziell auch in Europa.

Original: Blog | MOTOSOUND

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