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Gutsherrenart, Fahrbericht BMW 650i-1623

Published in radical-mag.com

Fahrbericht BMW 650i

Noch nicht erstellt
Es sind halt eben 4,89 Meter Länge. Das macht den 2+2-Sitzer nicht dringend: übersichtlich. Und weil man vorne nicht sieht, wo das Auto aufhört, wird man das 6er-Coupé von BMW wohl erst nach langer Gewöhnungszeit so richtig ins Eck hauen. Es ist viel, viel Auto für vorne 2 grossartige Sitzpositionen, hinten die Sitzchen, mit denen man die böse Schwiergermutter strafen kann, sowie einem mächtigen Kofferraum, der für ein halbes Dutzend Golfausrüstungen Platz bietet, also 460 Liter, um genau zu sein.

Und dann sind es eben auch noch 1,8 Tonnen. So viel kommt zusammen, wenn im BMW 650i Sportlichkeit mit Luxus gepaart werden soll. Mit etwas Ausrüstung und Schmerbauch sind es dann also rund zwei Tonnen, die ins besagte Ecke gehauen werden wollen. Da kommt dann definitiv die Physik ins Spiel. Er drängt dann schon nach aussen, der 6er, man muss ihn gut festhalten, um die Sportlichkeit in diesem verschwenderischen Luxus noch zu spüren. Die enge Gasse mit den bösen Kurven sind nicht sein Spielplatz, er hat lieber den Raum, das Weite, die Autobahn. Dort ist auch der Fahrkomfort das, was man gerne als vorbildlich bezeichnet.

Das Coupé fährt also lieber geradeaus, die 450 PS, die der 650i aus dem 4,4-Liter-V8 mit doppelter Zwangsbeatmung schöpft, sorgen für mächtigen Vortrieb, 650 Nm maximales Drehmoment gibt es auch noch zwischen 2000 und 4500/min, das gibt den groben Durchzug beim Herausbeschleunigen aus der Kurve und in der Autobahneinfahrt. Das macht er dann aber grossartig, der Bayer, der V8-TwinTurbo faucht schön, nicht böse, mehr so ein mächtiges Donnergrollen, das gut zu ihm passt, er ist nicht der hysterische Schreihals, sondern betont das Gediegene - den erwähnten Luxus.BMW 650i
BMW 650i
Dass er trotzdem in 4,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt (als xDrive, also mit Allradantrieb, sogar in 4,4 Sekunden), zeigt dann aber auch auf, wie souverän er seine Fahrleistungen aus dem Ärmel schüttelt. Es ist die Gutsherrenart, man hat alles erreicht, spaziert ein bisschen mit geschultertem Gewehr über seine Latifundien, ein Rudel edler Hunde neben sich, daheim nur wohlgeratene Söhne und schöne Töchter.

Innen ist die 6er-Reihe von BMW auch dort, wohin alle Hersteller streben. Also: ganz nah an der Perfektion. Es sind solche Kleinigkeiten wie der um ein paar Grad nach rechts abgewinkelte Hebel für die selbstverständlich auch ausgezeichnet mit dem Motor harmonierende 8-Gang-Steptronic oder die Schalterchen für die elektrischen Fensterheber, die genau dort liegen, wo man sie erwartet und folglich auch nicht zu suchen braucht.
BMW 650i
BMW 650i
BMW 650i
BMW 650i
BMW 650i
Der Luxus geht in Richtung Schwulst, auf Wunsch und in der BMW-Individual-Manufaktur ist sowieso alles möglich, was man sich vorstellt - die 6er-Reihe ist jenes Modell, das bei BMW von den Kunden am heftigsten personalisiert wird. Aber so ein schön beledertes Armaturenbrett hat halt schon was, das lässt sich nicht abstreiten - auch wenn es den grossen Wagen nicht schneller macht und man es auch nicht braucht für den gepflegten Transport von A nach B.

Innerhalb der 6er Reihe fristet das Coupé als Basismodell so ein bisschen ein Schattendasein, das Cabrio und vor allem das Gran Coupé mit seinen vier Türen (und noch einmal fast 100 Kilo mehr) werden deutlich öfter verkauft. Das ist eigentlich erstaunlich, denn nur das Coupé kann die lange BMW-Coupé-Tradition fortführen, doch in diesem Segment verschieben sich die Grenzen immer mehr nach oben, der Amerikaner und vor allem der Chinese empfindet grösser als besser. Wir wären auch gerne noch das Cabrio gefahren, um dann vielleicht zu spüren, wie sich zwei Tonnen offenes Vergnügen bewegen lassen, doch es war dann zu wenig Zeit. Was dem Gutsherr ja nie passieren würde. Also liessen wir es noch ein bisschen - knallen. Geradeaus.

Und seien wir ehrlich: es ist kein neuer 6er, er ist nur modellgepflegt. Diese «Mopf» sind bei BMW (wie bei Audi und Mercedes und Porsche) zu ziemlichen Lachnummern verkommen. Was da tatsächlich an Neuerungen kommt: neue Gestaltung der BMW-Niere, vergrösserte Endrohrblenden, neu entwickelte sowie hochwertig gestaltete LED-Scheinwerfer, neue Lackierungen (5!), neue 20-Zöller, neue Oberflächen im Innenraum, das Navigationspaket „Connected Drive“ in Serie, ein persönlicher Concierge-Service über eine fest im Auto integrierte SIM-Karte. Und: ein um 0,2 Liter geringerer Verbrauch.BMW 650i
Würde das BMW nicht alles vollmundig in einer 41 Seiten starken Presse-Mitteilung verkünden, es würde wohl gar niemand merken. Und abgesehen von den optischen Veränderungen könnte all dies problemlos in die sowieso beständig stattfindende Weiterentwicklung der Fahrzeuge einfliessen. Doch der Gutsherr ist im Herzen ja ein Traditionalist, er sieht das so, wie es schon Giuseppe Tomasi di Lampeduse in seinem «Il Gattopardo» beschrieben hatte: «Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass sich alles verändert.»

Man muss schon ein Auskenner sein, das Produkt intim kennen, um die Unterschiede zwischen vorher und nachher überhaupt erkennen zu können. Es ist ja auch ein Spagat: in Europa will man die bestehende Kundschaft nicht verärgern, die zu offensichtliche «Verbesserungen» nicht schätzen würde – in den USA und auch in China, für die deutschen Premium-Marken die wahren Milchkühe, muss aber immer alles neu, neu, neu sein, sonst stehen die Fahrzeuge bald schon wie Blei bei den Händlern. Ob die Strategie, etwa den facegelifteten 6er als «neu» zu bezeichnen, obwohl er gar nicht «neu» ist, auch wirklich funktioniert, das muss sich noch weisen. Die Amerikaner und Chinesen sind nicht so gut informiert wie die Europäer, sie kriechen entsprechender Werbung noch auf den Leim, zumindest: jetzt noch.

Was sich nicht geändert hat: die Preise. Also, in Franken und Rappen vielleicht schon, doch im Geiste sicher nicht, es bleibt bei: viel. Der günstigste 6er, also so ein profaner 640i, ist ab 99'600 Franken zu haben. Der hier beschriebene 650i als Coupé kostet dann schon mindestens 117'900 Franken. Nach oben ist dann bei 167'500 Franken beim M6 Cabrio Schluss. Das durften wir leider nur aus der Ferne anschauen.

Mehr BMW gibt es in unserem Archiv.

Original: radical

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