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Herrschen, nicht teilen, Koenigsegg Regera 2155

Published in radical-mag.com

Koenigsegg Regera

Noch nicht erstellt
Der Herrscher (Reger steht im schwedischen für beherrschen) braucht für 1800 PS kein Getriebe. Er schnickt das alles ganz normal über eine hydraulische Kupplung an die Hinterachse. Gut, untenrum, bei noch nicht herrschaftlichen Geschwindigkeiten, da lässt man sich von einer Hand voll elektrischen Diener unter die Drehmomentkurve greifen. Man sei deshalb aber trotzdem noch lange kein Hybrid.

Wunsch und Wahrheit liegen eben auch in der glitzernden Welt der Entrückten nah beieinander. So auch bei Koenigsegg. Denn: kombiniert man einen normalen Hubkolbenmurl mit einem Elektromotor, lässt die beiden zusammenspielen und aus verschiedenen Energiequellen tanken, dann hat man einen Hybrid. Ganz einfach. Weil Hybrid für viele aber immer noch bloss nach Recycling klingt, möchten die stolzen Schweden das Wort bitte vermeiden. Überhaupt, so ein Ding sei zu komplex, zu gross, zu schwer, zu teuer und bringt viel zu wenig Vorteile. Ihre Idee hingegen sei genial. Spart Komplexität, Grösse, Gewicht und Kosten. Sie bringt quasi nur Vorteile.

Gut, das mit der Genialität ist so eine Sache. Oft wird sie mit Mut verwechselt, was am Ende dann zum Glück doch zwei grundverschiedene Dinge sind. Elon Musk und seine Teslas – eine mutige Entscheidung, keine geniale. Nunzio La Vecchia und seine Quants – ein mutiger Auftritt, weil man so genial gar nicht sein kann. Carl Benz war genial, mutig hingegen nicht, schliesslich musste seine Frau Bertha die Kutsche durch die Pfalz lenken. Was bleibt also nun für den Koenigsegg Regera? Eigentlich weder noch. Was jetzt irgendwie negativer klingt, als es gemeint ist. Weshalb wir ein bisschen erklären müssen. Elastizität zum Beispiel. Für den Techniker ist der elastische Bereich eines Motors der zwischen dem Punkt des höchsten Drehmoments und dem der höchsten Leistung. Je breiter die Spanne dazwischen, desto elastischer der Motor. Elastizität als Mass für wie kraftvoll ein Motor ist, oder: wie gut er durchzieht.

Und damit man beim Fahren immer in diesem Bereich bleiben kann, braucht es ein Getriebe. Was aber, wenn nicht? Wenn du dich stattdessen durch die Bereiche, in denen der Verbrenner noch nicht so richtig bei Laune ist, einfach elektrisch durchreissen lässt? Kann das funktionieren? Es kann. Denn: nur gut drei Sekunden braucht der Regera von 150km/h auf 250km/h. So elastisch ist nicht einmal ein Bugatti Veyron. Möglich ist das deshalb, weil Hybrid ist, wenn man trotzdem lacht. Wenn ich also meinen 5.0 Liter V8 mit den grossen Turbos starr im letzten Gang ins Chassis montiere, dann brauche ich eben ein paar entsprechend grosse Elektromotoren, die mir die gähnende Leere bis – sagen wir mal - 150km/h adäquat füllen. Es arbeiten deshalb zwei Motoren an den Antriebswellen direkt auf die Hinterräder und ein weiterer auf der Kurbelwelle. Zusammen ziehen sie mehr als 700 PS und über 900 Nm aus den mittschiffs montierten Akkus.  Und die reichen aus, um den Regera am absoluten Limit zu beschleunigen. Mehr Kraft können die 345er Michelins an der Hinterachse einfach nicht übertragen.




Es braucht also tatsächlich kein Getriebe. Zumindest für den hier vorliegenden Fall nicht, an dem sowieso alles am Wahnsinn kratzt. Warum dann aber von Effizienz und Packaging und Verlusten gesprochen wird? Keine Ahnung. 50% geringere Verluste im Vergleich zu einem herkömmlichen Antriebsstrang würde die hydraulische Kupplung mit der fixen Übersetzung bringen. Gut, 50% von? Eben, 50% von sagen wir mal 15%, viel mehr verliert ein modernes Auto vom Schwungrad zu den Rädern nicht mehr. Dafür aber den gesamten Bereich, in dem der Motor den besten Wirkungsgrad hat (und in dem man ihn mit einem normalen Wechselgetriebe halten könnte) herschenken? Das kann auch die beim Getriebe gesparten Prozente ruckzuck wieder zu Nichte machen.

Dazu kommt der Einsatzzweck. Was, wenn ich mit meinem Supercar nur vor die Eisdiele fahre? Ein paar Mal um mein Lieblingskaufhaus in London rolle und Gummis radiere? Dann ist der 9kWh-Akku ruckzuck leer. Direkt einspringen kann der V8 nicht, schliesslich ist er fix übersetzt und bei solchem Bummeltempo im tiefsten aller Drehzahlkeller. Stattdessen: es wird ausgekuppelt und der 5.0 Liter Biturbo darf den Generator spielen. Mehr als 150 kW kann das Akkupack aber nicht aufnehmen. Was bleibt also? Ein Hypercar mit 1800 PS Gesamtleistung und 200 0Nm Drehmoment, das im ungünstigen Falle nur mit 150 kW vorwärts kriecht. Da hilft dann auch ein Akrapovic Fishtail-Auspuff, den man feinst in die Diffusor-Finnen integriert hat nix. Gut, Apples CarPlay schon, bei so wenig motorischer Ablenkung kann man dann wenigstens am Display spielen, ohne das vor dem Fenster zuviel passiert. Aber ansonsten? Wir sind etwas ratlos. Der Regera ist ein Hybrid. Er hat einen Verbrenner, drei Elektromotoren, eine Leistungselektronik, ein Akku und ein Getriebe (wenn auch ein fixes hydraulisches). Auch wenn Christian von Koenigsegg ihn nicht so nennen möchte und stetig betont, dass all die anderen Hybriden ja so schwer und komplex seien – wer ein Teil findet, das ein anderer Hybrid, sagen wir mal ein Mitsubishi Outlander PHEV, zusätzlich hat, der möge uns bitte Bescheid geben.

Das Argument, dass man eh nicht schneller beschleunigen könne, zieht auch nicht richtig. Bei nur einer angetriebenen Achse, okay. Warum aber nicht im Stile des 918 mit elektrischem Allrad? Die beiden Hinterachsmotoren des Regera funktionieren sowieso direkt und ohne Differenzial, es wäre also genau nicht schwerer geworden, wenn man sie auf die Vorderachse montiert hätte. Man hätte dann aber sehr wohl dem V8 ein normales Getriebe spendieren können. Das hätte vielleicht 50 kg mehr gewogen, als der Regera mit seinenn 1628 kg jetzt auf die Waage bringt, man hätte die mehr als 1100 PS dann aber jederzeit mit voller Macht einsetzen können ohne (nun wäre es ja ein Allrad!) Schlupf auf die Strasse gebracht. Und wer jetzt mit dem Stichwort Package kommt, der liegt richtig. Der Koenigsegg Regera hat ein nämlich ein schlechtes. Vorne, da wo die Konkurrenz ganz normal ein grosses Differenzial und einen fetten Motor unterbringt, da ist beim Koenigsegg kein Platz. Weil das Dach ja irgendwo hin muss. Nur: der Porsche ist auch ein Targa. Die Schwaben haben eben einfach ein bisschen cleverer gepackt. Und der Regera muss mit Hinterradantrieb allein auskommen.

Was bleibt also? Ein beeindruckend schnelles Auto. Viel wichtiger aber: ein anderes. Eines, dessen Konzept neu ist. Und nur das zählt, weil etwas Neues gekauft wird. Ob es besser, schlechter, schwerer, leichter, effizienter oder gar sinnvoll ist – egal. In diesen Sphären sowieso. Denn die nach dem Warum stellt niemand, nur nach dem Ob. Achtzig Stück werden die Schweden bauen. Fünf sind schon auf dem Salon verkauft worden. Für eine 1,89 Millionen Dollar pro Exemplar.


Original: radical

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