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Querab*, Fahrbericht Mercedes C 63 AMG 2148

Published in radical-mag.com

Fahrbericht Mercedes
C 63 AMG

Noch nicht erstellt
Querab ist ein Begriff aus der Seefahrt. Es bedeutet, dass sich zum Beispiel ein Objekt im rechten Winkel zur Längsachse des Schiffs befindet. Querab - also im 90°-Winkel - kann man mit dem dicken Benz auch. Einfach ESP ausschalten, etwas Fahrt aufnehmen, Einlenken und mit Schmackes aufs Fahrpedal treten - schon geht die Kiste querab. Statt eines Kondensstreifens wegen der Geschwindigkeit gibts kubikmeterweise blauen Rauch aus den hinteren Radkästen. Nicht schnell, aber spektakulär. Aber, das konnte jeder bisherige C-Klasse-AMG auch. Denn an Traktion hat es den scharfen Benzen oft gemangelt. Aber, wir sind ja im Jahr 2015, der Zeit der Computer, der elektronisch gesteuerten Kupplungen, von Assistenzsystem die den Fahrer oder die Fahrerin - ausser bei der Pinkelpause - so ziemlich bei allem unterstützen. Also, wie bekommt man 510 PS und 700 Nm in den Griff, wenn sie auf zwei bemitleidenswerte Gummidingers an der Hinterachse losgelassen werden. Wie in der guten alten Zeit mit Gegenlenken. Das klappt ganz wunderbar, der Driftwinkel wird einfach per Gaspedal eingestellt. Mehr Dampf, der Radius wird grösser, weniger Dampf, die Linie wird enger. Aber, Mercedes sagt ja von sich: «das Beste oder nichts.» Also liegt es nicht drin, solche Aktionen dem Fahrer zu überlassen. Denn der Pilot ist - das wurde uns nach einigen Runden auf dem extrem anspruchsvollen Kurs in Portimao klar - das schwächste Glied in der AMG-Kette.

Also nimmt man viel Elektronik und etwas Mechanik zu Hilfe, um das wilde Tier auch für den pensionierten Oberstufen-Lehrer fahrbar zu machen. Und damit er beim Höck der pensionierten Handarbeitslehrerinnen auch so richtig auftrumpfen kann, gibts fürs ESP auch eine Sportfunktion. So stellt man den Benz quer ohne Angst haben zu müssen, dass man abfliegt. Ohne, dass das künstliche Haarteil wegen der Querbeschleunigungskräfte zur überproportionierten Ohrenwärmer wird. Man muss schon ein ziemlicher Bewegungslegasteniker sein, wenn man es nicht schafft, den Benz einigermassen quer durch eine Kurve zu prügeln. Ob das alles Sinn macht? Nein, aber sieht gut aus. Und das, so scheint uns, wird immer wichtiger.


Der geneigte Leser hat gemerkt, dass wir vom C 63 S AMG reden. Denn der C 63 AMG ohne S hat nur lächerliche 476 PS. Und vor allem: nur der S hat das elektronisch geregelte Sperrdiff an der Hinterachse. Der Unterschied zwischen dem rein mechanischen Teil und dem mit der Computersteurung sind erstaunlich gross. Der «S» fühlt sich im Grenzbereich deutlich schärfer, agiler und vor allem berechenbarer an. Natürlich kann man bei beiden Modellen das Dämpfersetup voreinstellen, diese Wahl hat auch Einfluss auf die Gaspedalkennlinie, die Lenkung und das Siebenganggetriebe. Natürlich gibts bei beiden Schaltpaddel am Lenkrad, wobei dort ein für uns ein neues Feature verbaut wurde. Zieht man anhaltend am «Down»-Paddel schaltet das Getriebe sofort in den tiefstmöglichen Gang. So soll man bei Überholvorgängen bestens gerüstet sein. Alles nett, aber das konnten wir schon vor 30 Jahren. Einfach den richtigen Gang einlegen vor dem Überholen...





Zudem hat der «S» dynamische Motorlager. Diese verhärten sich bei hoher Beanspruchung und sollen so Wankbewegungen der Motor-/Getriebeeinheit minimieren. Und falls man grad nicht auf der Rennstrecke ist den Komfort erhöhen. Wir haben leider nichts gespürt, wird fanden es einfach gut wie es ist. Aber vielleicht merkt ja Bernd Schneider einen Unterschied. Er war unser Pace-Car für die Runden auf dem Circuit. Und, der ehemalige DTM-Champion und Wahlschweizer ist immer noch sauschnell. Danke für die geilen Runden, Bernd!

Ach ja, sollte ich noch erzählen, ob man mit dem C 63 S AMG auch schnell statt nur quer fahren kann? Okay, man kann. Man kann sehr schnell. Einfach, weil die Abstimmung von mechanischen und elektronischen Bauteilen so perfekt gelungen ist. Ist man im Race-Modus unterwegs ist der V8-Bomber richtig heftig unterwegs. Schaltet man aber das ESP aus merkt man sofort, dass unter dem Hintern 1700 kg um Fassung, Traktion und ein paar Meter zusätzliches Asphaltband ringen. Erst ohne ESP wird klar, welche Urgewalten man da bewegt. Ja Bernd, wir wissen, wir hätten das ESP nicht ausschalten sollen. Vergib uns.

Acht Runden hat unser Rennstreckenabenteuer mit dem AMG-Benz gedauert, dann war Strassenbetrieb angesagt. Und da waren wir doch erstaunt. Denn aus der hervorragenden Lenkung im Race-Modus wird - wenn man alle Schalter auf maximalen Komfort stellt - eine genauso gute Lenkung zum bummeln. Da hat man in Affalterbach wohl ziemlich viel Hirnschmalz investiert. Das Auto rollt natürlich nicht so elegant ab wie ein Citroën mit Hydropneumatik, aber die hervorragenden Sitze und die nahezu perfekte Ergonomie machen sehr vieles wieder wett. Zum Schluss erzählen wir euch noch einen kleinen Witz. Die C-Klasse mit dem Motor aus dem AMG GT soll auf 100 Kilometer mit 8,2 Litern auskommen... Natürlich ist das alles nicht ganz billig. Für den «S» werden mindestens 105'500 Franken fällig, dann ist er aber noch einigermassen nackt. Nix Sportabgasanlage, keine Keramikstopper... Aber man kann ja nicht alles haben - ausser man bezahlt dafür.

Mehr Mercedes gibts im Archiv.



Text: Cha, Fotos: Werk.

Original: radical

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