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Fahrbericht Porsche 911 Speedster, 1989, 50 Jahre Porsche 911 (9)-1809

Published in radical-classics.com

50 Jahre Porsche 911 (9)

Noch nicht erstellt
Von vorne sieht er einfach hinreissend aus. Erinnernd an den von 1955 bis 1958 gebauten Porsche 356 Speedster, von dem er die Form der flachen Windschutzscheibe übernommen hat. Und die Form gleicht auch ein bisschen einer italienische Barchetta aus den fünfziger Jahren.  Wären da nicht diese zwei Höcker direkt hinter den Sitzen, die er wie einen schweren Rucksack mit sich trägt, und die irgendwie nicht ins harmonische Gesamtbild passen wollen. Der Eindruck der Hecklastigkeit wird durch das breite Hinterteil verstärkt, welches die Reifen der Grösse 245/45 ZR16 aufnehmen müssen, während vorne die schmaleren 215/55 ZR16 montiert sind. Damit nimmt er die Heckansicht späterer Turbo-911 bis zum heutigen Tag vorweg. Trotzdem: alle 2102 gebauten Exemplare des Porsche 911 Speedster aus dem Jahr 1989 haben in kurzer Zeit ihre Liebhaber gefunden und reihen sich in die Klasse der Supersportwagen, die auf jedem Boulevard «bella figura» machen.

Zwei Dinge braucht dieses Auto, um richtig zur Geltung zu kommen: Sonnenschein und viel freien Raum. Das ist eine Kombination, die hierzulande nur gelegentlich vorkommt, deshalb erstaunt es nicht, dass der Speedster vor allem mit Blick auf den Export in die USA gebaut wurde. Für Sonnenstaaten wie Florida und Kalifornien, versteht sich. Die US-Behörden für Fahrsicherheit waren es ja auch, welche die zweite Generation der 911er durch ihre Vorschriften beeinflusst hat. Das G-Modell, gebaut von 1973 bis 1989, weist die charakteristische Stossstange auf, «Faltenbalg» genannt, die einen Aufprall von 5 Meilen/h ohne Schaden absorbieren muss.

Gutes Wetter ist notwendig, um dieses Auto überhaupt aus der Garage zu holen. Denn das Faltdach wird auch offiziell nur Notverdeck genannt und schränkt die Sichtverhältnisse erheblich ein. Beim Rückwärtsfahren sieht man kaum zwischen den hohen Kopfstützen und den Kamelhöckern durch.
Porsche 911 Speedster, 1989
Porsche 911 Speedster, 1989
Mit geschlossenem Verdeck ist seitliches Einparkieren nur geübten Fahrgenies möglich, die einen sechsten Sinn für Formen und Distanzen haben. Aber in Florida braucht man diese Talente wohl eher selten. Porsche war sich natürlich dieser Einschränkungen bewusst und hat dazu auch bekannt: «Ein Cabrio ist ein geschlossenes Auto, das man offen fahren kann. Ein Speedster ist ein offenes Auto, das man mit geschlossenem Dach fahren kann».

Beim Einstieg überrascht zunächst die sehr tiefe Sitzposition. Die hat den Vorteil, dass man trotz kleiner Frontscheibe vom Wind geschützt bleibt, aber die Seitenwände sind dann recht hoch, was etwas gewöhnungsbedürftig ist. Ein Gefühl, wie wenn man tief in die Badewanne abtaucht, was ja nicht unangenehm sein muss. Oder anders ausgedrückt: bei schneller Fahrt kann man sich vorstellen, in einem Rennwagen zu sitzen, doch im Stadtverkehr hätte man doch lieber ein bisschen mehr Übersicht.
Porsche 356 Speedster

Das Ur-Ding.

Porsche 356 Speedster

Und mehr Speedster, frühere und spätere.

Porsche 356 Speedster
Porsche 911 Speedster
Porsche 911 Speedster
Im Steuerrad befindet sich ein Aufprallkissen, nicht schön, aber sicher sinnvoll, da noch kein Airbag vorhanden ist. Dafür gibt es serienmässig Dreipunkt-Sicherheitsgurte und übergrosse Kopfstützen in den Schalensitzen. Dass die Lenkung keine Servohilfe hat, lässt den Wagen schwerer erscheinen, als er mit seinen 1290 Kilos tatsächlich ist. Da muss man schon mal kräftig zugreifen, wenn die Kurven eng werden.

231 PS bei 5900 U/min treiben den luftgekühlten Boxermotor mit 6 Zylindern aus 3164 Kubikzentimetern Hubraum an. Er wurde im 911 Carrera des Jahres 1983 erstmals eingebaut und parallel zu den damals schon vorhandenen Turbomotoren verkauft. Einen Katalysator hat er noch nicht. Der Motor gehört im Zusammenhang mit dem 5-Gang Getriebe wahrscheinlich zu den besten Antrieben der luftgekühlten Generationen des 911, mit starkem Drehmoment und bei jeder Drehzahl sofort ansprechbar, überhaupt nicht schwierig zu fahren. So ist es nicht erstaunlich, dass die mit diesem Aggregat ausgerüsteten 911 heute zu den beliebtesten Sammlerobjekten geworden sind.

Nach Werksangabe soll der Speedster eine Spitze bis 254 km/h erlauben und von 5,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen. Das war angesichts der Testfahrt in den Alpen natürlich nicht nachmessbar, aber ganz klar ist das Auto trotz gefühltem Gewicht spritzig zu fahren und die Eigenschaften entsprechen durchaus dem sportlichen Aussehen. Eigentlich wollte Porsche den Kunden den Speedster als mögliches Rennsportfahrzeug anbieten, doch wurde er wegen des Aussehens und der kleinen Auflage von Anfang an von Sammlern, Spekulanten und Liebhabern gekauft, denen er für den Sport zu schade war. Aber sowohl Motor als auch Fahrwerk profitieren merklich von der Rennsporterfahrung des Werks.Porsche 911 Speedster, 1989

Das Ur-Ding.

Spartanisch, bedingt alltagstauglich, sehr teuer. Wenn ein Auto mit solchen Eigenschaften trotzdem reissenden Absatz findet und noch heute hoch gehandelt wird, muss schon etwas Besonderes dahinter sein. Dass die Fahreigenschaften über alle Zweifel erhaben sind, macht es wohl nicht aus. Also muss es die Optik sein, die Exotik und, natürlich, das Gefühl von Sonne und Freiheit.

Wir danken Hans Treml für diesen Bericht; er hat schon einen 67er 911 Targa beschrieben und auch den Carrera RS 2.7 von 1973. Wir entschuldigen uns auch für die Bildauswahl - von der Ausfahrt mit dem Speedster gibt es kein einziges taugliches Bild. Dafür kann der Autor nichts, es wurde von Porsche extra ein namhafter Fotograf engagiert, um den Ausflug bildtechnisch festzuhalten. Aber eben - sorry.

Mehr Porsche gibt es im Archiv. Die Übersicht über unsere Serie zu 50 Jahren Porsche 911 finden Sie: hier.


Original: radical

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