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Digital Waterboarding, VW Innovationstag 2070

Published in radical-mag.com

VW Innovationstag

Noch nicht erstellt
Volkswagen lädt in einer gewissen Regelmässigkeit zu sogenannten Innovationstagen ein. Dort wird den Journalisten gezeigt, was den in naher Zukunft in die neuen Modelle kommen soll. Wir machen da jeweils mit, schliesslich will man den Anschluss nicht verpassen. Bei jüngsten Innovationstag allerdings haben wir uns schon etwas gewundert. Technisch hat man bei VW nicht gerade viel in der Pipeline - dafür jede Menge Spielereien. Was sich die Elektronikentwickler in und um Wolfsburg so ausdenken ist - naja, zumindest für Europa wohl eher - gewöhnungsbedürftig. Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter, einige der vorgestellten Innovationen bezeichnen wir gar als elektronische Folter. Doch der Reihe nach.

Klar, auch in Sachen Technik ist man im VW-Konzern am arbeiten. Am Doppelkupplungsgetriebe DSG zum Beispiel. Mit einem simplen, aber technisch nicht ganz einfach Trick zum Beispiel wird aus dem bekannten DSG mit 7 Gängen eines mit zehn Fahrstufen. Sogar ein ganzes Dutzend Gänge sind möglich. Basis des intern DQ511 genannten Getriebes ist das DQ500, also das DSG mit sieben Stufen wird um ein Zahnrad und zwei Schaltstellen erweitert, und schon gibt es Gänge à gogo. Das zugefügte Zahnrad ist ein Rücklaufrad, mit welchem die Drehrichtung der anderen Zahnräder geändert werden kann. So können bis zu 10 Gänge generiert werden ohne dass man auf den unterbruchslosen Vortrieb eines Doppelkupplungsgetriebes verzichten muss. Will man aus diesem System noch mehr Gangstufen holen, ist es allerdings vorbei mit Schalten ohne Unterbruch. Denkbar wäre ein extrem kurzer Kriechgang für Geländeeinsätze oder ein Super-Overdrive zur extremen Drehzahlabsenkung bei hohen Geschwindigkeiten. Egal, wir finden auch zehn Gänge schon mehr als genug. Aber, es soll einfach so viel CO2- wie möglich eingespart werden. Da hilft es, wenn man beim Beschleunigen möglichst rasch in einen höheren Gang schalten kann und einen sehr lang übersetzten zehnten Gang hat.


Weil nur ein Zahnrad und zwei Schaltelemente hinzugefügt werden, ist das Mehrgewicht des DQ511 mit nur fünf Kilogramm sehr gering ausgefallen. Auch die Masse des Getriebes - welches Motordrehmomente von von maximal 550 Nm übertragen kann - haben sich nicht verändert. Es passt also in jedes Modell des modularen Querbaukastens. Ganz so einfach ist das alles natürlich nicht. Die Zahnräder müssen einer speziellen Oberflächenbehandlung unterzogen werden und VW hat gar ein eigenes Leichtlauf-Getriebeöl entwickelt. Anders sind die Belastungen der einzelnen Getrieberäder, die nun in zwei Richtungen funktionieren müssen, nicht in den Griff zu bekommen. Das 10-Gang-DSG könnte bereits in zwei Jahren in den ersten Autos verbaut werden.

Kommen wir zu unserem persönlichen Highlight, der App «Sound Journey». Damit wird der VW zum Musikinstrument. Ja, es ist ihnen ernst. Je nach Fahrstil generiert der Wagen, in unserem Fall ein Polo, unterschiedliche Soundkulissen, passt sich dem Fahrstil an.




Das eigene «Musikstück» kann man auch abspeichern und mit anderen Teilen. Wir jubeln, können es kaum fassen. Guantanamo liegt nun in der Mitte Deutschlands. So einen Unsinn haben wir lange nicht mehr gesehen, wir sind konsterniert dass ein Konzern so viel Geld ausgibt für so viel useless Bullshit. Auch sonst hat VW vieles im Köcher, was die Anbindung von Smartphones und anderen Mediaplayern angeht. Doch da ist nichts, was revolutionär wäre. Und, man treibt das digitale Waterboarding noch weiter. Die neuste Generation an Navigationsgeräten merkt sich häufig gefahrene Strecken. So werden zum Beispiel Staus auf der Route angezeigt, auch wenn man gar kein Ziel ins Navi eingegeben hat. Nach einer Woche soll sich das System die häufigsten Routen gemerkt haben und dem Fahrer automatisch drei Wege zum Beispiel ins Büro anbieten. Natürlich beteuert man bei VW, dass niemand diese Daten, welche im Auto gespeichert werden, auslesen kann, nicht einmal der nette VW-Händler. Jaja...

Da sind dann so Sachen wie das neue Stopp/Start-System etwas interessanter. Dort wird der Motor bereits bei einem Tempo von unter 7 km/h ausgeschaltet - das haben aber andere Hersteller wie Citroën schon lange. Aber immerhin, VW hats nun auch. Oder die Geschichte mit dem Mild-Hybrid. Natürlich wird der Wagen nie elektrisch angetrieben, aber es gibt eine zweite Batterie und eine Trennung zwischen Motor und Getriebe. So ist es möglich, beim «Segeln» – also wenn der Fahrer keinerlei Leistung abruft – den Motor komplett abzuschalten. Dank des Akkus bleiben die Funktionen wie die elektrische Servolenkung oder die Servounterstützung der Bremse erhalten. Auch das neue 10-Gang-DSG wird diese Funktion unterstützen.

Weiter bei den Komforfeatures. «Easy open» und «Easy close» sind die beiden neusten Errungschaften im Bereich der Heckklappe.

Sensoren detektieren, ob sich der Fahrzeugschlüssel nähert. Wird der Schlüssel erkannt, projeziert man ein farbiges Symbol hinter den Stossfänger. Hält man nun den Fuss auf diese Projektion öffnet sich die Heckklappe automatisch. Offenbar war es den VW-Oberen zu blöde, mit dem Fuss irgendwelche Kickbewegungen unter dem Stossfänger auszuführen (wie zum Beispiel bei Audi), oder man hat sich durch mangelndes Gleichgewichtsgefühl den feinen Zwirn der Hosen etwas schmutzig gemacht. Die Funktion «Easy close» wird per Tastendruck an der offenen Heckklappe aktiviert. Dann hat man (vorerst) 20 Sekunden Zeit, sich mit dem Fahrzeugschlüssel aus dem Heckbereich zu entfernen. Sobald man die Funkreichweite verlassen hat, schliesst sich das Heckportal und das Auto wird abgeschlossen. Nette Gimmicks, mehr nicht. Noch ist man nicht soweit, die beiden Features in Serie gehen zu lassen. Vor allem das zuverlässigeProjezieren der Markierung bei gleissendem Sonnenlicht und die Positionierung der nötigen Bauteile ist noch nicht geklärt.

Weiter mit der Elektronik. Da gibt es Systeme (in China schon lieferbar) zur Überwachung des Fahrzeugs. Mit einem virtuellen Zaun zum Beispiel kann man auf einer Karte bestimmen, im welchem Bereich sind sein Auto bewegen darf. Gibt man die Autoschlüssel also der Jungmannschaft und verlassen die jungen wilden das  definierte Gebiet, gibts eine Meldung per Mail oder SMS an den Fahrzeugbesitzer. Weit interessanter finden wir da die verschiedenen Oxidbeschichtungen fürs Armaturenbrett oder das Sonnendach, welche das Aufheizen des Innenraums deutlich reduzieren sollen. Das ist nicht nur angenehm, sondern reduziert auch den Verbrauch, weil die Klimaanlage deutlich weniger arbeiten muss. Und, auch im Winter sollen diese Beschichtungen helfen, weniger Wärme zu «verlieren».

VW arbeitet also hart an Verbesserungen, wobei längst nicht alle dieser Innovationen einen echten Nutzen bringen. Aber irgendwie muss man die Heerscharen an Ingenieuren ja beschäftigen.

Mehr Volkswagen gibts im Archiv.


Original: radical

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