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Mercedes-Benz-Fahrdynamik-Konzept

Published in fünfkommasechs.de

In gut vier Wochen öffnet wiedereinmal die weltgrößte Automobilausstellung IAA in Frankfurt ihre Pforten für alle Autofans. Grund genug um in die Vergangenheit zu schauen, denn auf der IAA 1985 - mittlerweile fast 26 Jahre her - präsentierte Daimler-Benz seinerzeit etwas Revolutionäres - wie so oft.

Die Rede ist hier vom Mercedes-Benz-Fahrdynamik-Konzept!

Doch zunächst muss man sich erst einmal vorstellen wie das 1986 war - die Modelle der S-Klasse waren gerade erst vor ein paar Monaten geliftet worden, die mittlere Baureihe war noch fast brandneu und jüngst durch das T-Modell ergänzt worden. Daimler-Benz stattete ab Modelljahr 1987 nun auch alle Sechszylindermodelle serienmässig mit dem Antiblockiersystem (ABS) aus - dies war zuvor sogar für einen 260SE oder 300SEL noch eine Sonderausstattung gewesen die mit stattlichen 3.078 D-Mark zu Buche geschlagen hätte. Doch so war das, einen Airbag (natürlich nur für den Fahrer) gab es selbst für das Spitzenmodell lediglich gegen Aufpreis - bei anderen Fahrzeugherstellern suchte man jedoch auch diesen vergebens.

Autofahren damals war noch so pur wie in den 1960ern - allenfalls elektronische Einspritzanlagen wurden in den Fahrzeugen verbaut. Hatte man etwas mehr Geld gab es zuweilen auch ein Antiblockiersystem - doch auch nur in größeren Fahrzeugklassen und dort auch meist nur gegen Aufpreis.

Da aber das Thema Fahrdynamik, Traktion und Aktive Sicherheit ebenfalls mehr und mehr in den Focus der Automobilisten trat, wollte sich Daimler-Benz auch hier einen Spitzenplatz sichern.

Zunächst auf der IAA 1985 präsentiert, mussten jedoch ASD und ASR immer wieder verschoben werden. Im September 1986 dann war ASD endlich lieferbar für alle Sechszylindermodelle (Vierzylindermodelle ab IV.Quartal 1986), jedoch wurde nun ASR auf das IV.Quartal 1987 verschoben.

Aber mal der Reihe nach: das Fahrdynamik-Konzept baut auf ABS auf und kann dann je noch Modell und Motorisierung um ASD, ASR oder gar 4matic (den einzig vollelektronisch und adaptiven Allradantrieb weltweit) erweitert werden.

Automatisches Sperrdifferential - ASD:

W126_ASD2

ASD wurde unter SA-Code 211 für knapp 1.600 D-Mark für die Sechszylindermodelle 260SE und 300SE/SEL geliefert.

Der große Vorteil dieses Systems liegt darin dass die 100% Sperre der Hinterachse nur bei Bedarf kurzzeitig zugeschaltet wird - vollautomatisch - und so lediglich die Vorteile dieser Sperrung genutzt werden, alle Nachteile werden ausgeklammert. Oberhalb von ca. 30 Km/h (je nach Produktionsjahr) wird ASD nicht mehr hinzugeschaltet, unterstützt aber dennoch den Fahrer mit einer Grundsperre von ca. 35% die systembedingt immer vorliegt.

Antriebs-Schlupf-Regelung - ASR:

Diese Sonderausstattung mit dem Code 47/1 wurde gegen Aufpreis für die Achtzylindermodelle geliefert, rund 2.900 D-Mark wurden fällig wenn es kein 560er Typ war, für diese waren es nur rund 2.400 D-Mark da sie bereits serienmässig mit einem mechanischen Sperrdifferential das Werk verliessen.

W126_ASR2

ASR wurde als logische Weiterentwicklung des ABS bezeichnet und baut in der Tat auf diesem System auf. Drehzahlsensoren für jedes Rad kontrollieren ständig die Raddrehzahlen und erkennen so Schlupf (Durchdrehen) eines Antriebsrades innerhalb von Millisekunden und können so vollelektronisch in einer ersten Stufe das betreffende Rad mittels Bremseneingriff abbremsen bis kein Schlupf mehr vorherrscht. Reicht dies jedoch nicht aus um den Vortrieb der S-Klasse zu sichern so wird in der zweiten Stufe auch noch das Antriebsmoment herabgesetzt bis das oder die Antriebsräder wieder schlupffrei sind.
Durch ASR verfügt der Wagen auch erstmals für E-Gas, bedeutet der Fahrer gibt durch das Fahrpedal (Daimler-Deutsch für Gaspedal) seinen Wunsch auf Beschleunigung nur an Messeinrichtungen weiter die dann selbsttätig mittels Elektromotor den Befehl weitergeben.

Im Tiefschnee oder auf losem Untergrund und beim Fahren mit angelegten Schneeketten kann es jedoch durch das feinfühlige Ansprechen des ASR zu Problemen kommen, hierfür haben die Entwickler einen so genannten "Schneekettenschalter" in der Mittelkonsole verbaut, wird er betätigt setzt ASR seine Eingriffsstufe deutlich herauf und erlaubt stärkeren Schlupf an den Hinterrädern (was bei Schneeketten zwingend nötig ist).

Für das Jahr 2011 ist es eine Selbstverständlichkeit dass ein Auto ESP an Bord hat. Doch das elektronische Stabilitätssystem (eine Erfindung von Daimler-Benz und Bosch) wäre heute noch so weit wenn nicht wieder ein gewisser Hersteller die Pionierführerschaft auch auf diesem Gebiet übernommen hätte. ASR ist integriert in jedem ESP und steht somit zumindest auf dem deutschen Automobilmarkt heute jedem Autofahrer zur Verfügung!

Zum Modelljahr 1990 (September 1989) konnten dann auch die Sechszylindermodelle gegen Aufpreis mit dem weiter verbesserten ASR II geliefert werden.

ASR stellt eine enorme Komfort- und Sicherheitssteigerung dar - der Autor erinnert sich an viele Winterfahrten mit einem 420SE der mit ASR I ausgetattet war, ein wirkliches Traktionswunder (wenn mit tugen Winterreifen ausgestattet).

Man sollte also versuchen heutzutage nicht immer alles als selbstverständlich anzusehen, sondern auch einmal (zumindest für einen kurzen Moment) Überlegen welch langer und meist auch steiniger Weg hinter solchen Entwicklungen steckt.

Original: Fünfkommasechs.de | Aktuelles

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