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Ein neues Getriebe, eine grüne Ampel – und ein Totalschaden

Published in fünfkommasechs.de

Wenn 1,8 Tonnen Altmetall auf vier Rädern quasi zur Familie gehören, man sie hegt und pflegt und sogar den Geburtstag feiert, dann bereitet der bloße Gedanke an einen Unfall schon schlaflose Nächte. Materielle Werte lassen sich zwar (kostspielig) versichern, aber der Verlust ideeller Werte, all der Arbeit und Mühe ist kaum mehr wieder gut zu machen. Wie also fühlt es sich an, wenn der Ernstfall tatsächlich eintritt?

Björn "Zweikommaacht" Lehmann schildert uns den GAU: den plötzlichen Totalschaden an seiner geliebten Erstserie, nachdem gerade wieder vieles am zypressengrünen 280SE restauriert worden war. In einem zweiten Teil widmen wir uns dann in den kommenden Wochen auch dem "Super-GAU", nämlich dem Fall, wenn über den Totalschaden hinaus auch das eigene Leben bedroht ist und man nur deshalb noch atmet, weil der Daimler schon seit den Sechziger Jahren intensive Unfallforschung betrieb und dadurch die jeweils sichersten Autos ihrer Zeit herstellte. "To them, a Mercedes-Benz is not a luxury", wie es so schön in einem australischen Werbespot der frühen Achtziger Jahre heißt:

Doch nun lassen wir zunächst Björn den wohl schwärzesten Novembertag seines Lebens schildern, und wie durch Optimismus und Pragmatismus aus dem großen Rückschlag am Ende sogar noch ein Schritt nach vorne wurde:

Freitag, der 05.11.2010, 16.00h: Ich hole meine grüne hagelige Diva von H+S in Köln wieder ab. Ich habe mir eine neue Kupplung und ein gebrauchtes 4-Gang AT-Schaltgetriebe mit erst 135.000km Laufleistung gegönnt. Mit extremst guter Laune ob des eh schon gottgleichen Fahrgefühls meines 280SE fuhr ich mit einer sich butterweich schaltenden Kupplung wieder nach Hause.

Selbst der Regen war mir sowas von egal, da ich ja förmlich über den Asphalt schwebe. Als ich dann in Remscheid wieder ankomme, stehe ich um 17.05h an einer Linksabbiegerampel mit grünem Pfeil, eben extra nur für Linksabbieger. Meine Ampel wird grün, von vorne kommt nix mehr und ich fahre los. Ich bin schon im Linkseinschlag mit Sicherheitsschulterblick nach hinten links (ob da was kommt). Plötzlich wie der Einschlag eines Sturzkampfbombers… Bämmm Zack Krach ballert mir ein weisser T4 Bully von vorne rein…

Erster Gedanke: Wo kam der denn her? Meine Ampel war doch grün. Da kann nix von vorne kommen. Zweiter Gedanke: Ich komme doch gerade aus der Werkstatt. So eine Scheisse. Dritter Gedanke: Mir ist nix passiert, meinem Gegenüber ist scheinbar auch nix passiert. Na dann ziehe ich den erstmal aus seiner Karre raus und haue im einen aufs Maul… Das gibt bestimmt ein bizarres Farbspiel wenn sich sein rotes Blut mit dem Regen auf dem Asphalt vereint und in einem Rinnsal davon fließt…

Nun steh ich da an der Kreuzung mit einer „geschrotteten Diva“. Fassungslos. Wut und Schock.

Unfall2 

Also erstmal aussteigen (und dem Bully Fahrer natürlich keinen aufs Maul hauen) gucken ob der verletzt ist (war er nicht) und erstmal sofort den Fahrer hinter mir ansprechen:

"Haben Sie gesehen, daß ich bei grün losgefahren bin?"

"Ja, habe ich. Wir haben auch noch gedacht: Wo kommt den der Bully her? Wir haben doch grün."

"Bleiben Sie bitte als Zeuge da."

"Ja machen wir."

Unfall1Ok, dachte ich mir, das ist schon mal gut. Dann die Sheriffs gerufen. Die meinen auch, wenn ich grün habe, muss der Bully rot haben oder noch mit vollem Karacho bei dunkelgelb drüber sein. Die alle Beteiligten und Zeugen gehört und ihr Protokoll geschrieben. Ich bin der Geschädigte. Das ist schon mal gut. Der andere ist versichert, ich habe Zeugen und bin unschuldung. Das bekommen wir alles wieder hin.

Während ich ca. eineinhalb Stunden auf die Sheriffs wartete, machte ich mir so meine Gedanken, zum Beispiel wie ich an meinen W126 kam:

Es war März 2009. Mein 1990 Panda, den ich zu der Zeit fuhr, war kurz davor den Geist aufzugeben. Ich würde über kurz oder lang was „neues“ brauchen. Durch Zufall kam ich ins Gespräch mit einem ehemaligen Kollegen und fragte nebenbei, ob er denn noch den „alten grünen Mercedes“ seines Vaters hätte. Ja, hatte er noch und wollte ihn schnellstens verkaufen, weil er die Garage gekündigt hatte. Sofort ging mein Pulsschlag hoch. Ich hatte früher schon mal nen 1977 MB 200D /8 und 2 x nen 1977 Ford Taunus gefahren. Bigger is Better war eigentlich immer mein Automotto.

Wir uns an der Garage getroffen… und da stand sie, die grüne (um genau zu sein zypressengrünmetallic-farbene) Diva. W126 MB 280SE, Bj. 06/1981, 223.000 km „und wie viel willste haben?“ 1.500,- Euro. Weil ist nen Hagelschlag drin“

Aaaarg! Luft holen… 1.500,- nur? Ausser nen paar kleinen Roststellen und 300 Hagelbeulen nix dran. Kaufen? Sofort! Für 1.400,- Euro. Hurra, wieder Daimler fahren!

Garage1

Gut 1,5 Jahre später. Die grüne Diva wird gehegt und gepflegt. Ist im Tageseinsatz, hat schon nen Trip nach Zandvoort gemacht, bringt mich zuverlässig überall hin und hat ne Garage und in der Firma nen überdachten Stellplatz. Das Getriebe hatte im ersten Gang immer so ein nagelndes Geräusch. Naja, kein Wunder. Durfte ja im „Vorleben“ auch jahrelang nen Campingwagen ziehen. Da dachte ich mir im Rahmen meines „Pflege- und Hegeprogramms“: nach 224.000 km darf es ein Austauschgetriebe sein. Wo wir an dieser Stelle wieder am Anfang der Geschichte sind.

Der Unfall wurde aufgenommen. Ich warte auf Nachricht der gegnerischen Versicherung. Kommt aber nix.

Flucht nach vorne: Habe bei meiner Vertrauenswerkstatt in Solingen ein Unfallgutachten von einem Dekra-Mann in Auftrag geben lassen. Fazit: Schaden in Höhe von 11.000,- Euro. Restwert 3.500,- Euro. Restverkaufswert 500,- Euro. Ergibt nen Versicherungsanspruch von 3000,- Euro. Wie zur Hölle soll ich mit 3000,- Steinen nen Schaden von 11.000,- Steinen beheben???? Unfall3Frust, Wut, Trauer bringt mich nicht weiter. Also ab nach vorne: was brauche ich für Teile? Wo bekomme ich Sie her? Was kostet mich die Reparatur?

Einkaufs-Teileliste:

  • Kühler komplett
  • Lüfter mit Lüfterhaube
  • Radhausblech Rechts vorderes Stück
  • Kotflügel rechts (Zypressengrün metallic)
  • Scheinwerfer rechts
  • Blinker rechts
  • Motorhaube (Zypressengrün metallic)
  • Kühlerverkleidung
  • Verstärkung Leuchteinheit rechts
  • Kühlerauflage
  • Träger Befestigung Stoßfänger
  • Strebe mitte
  • Versteifung vorne
  • Stoßfänger komplett

Fast alles gebraucht (Motorhaube in schwarz, dafür Kotflügel in zypressengrünmetallic) bei H+S in Köln bekommen (hier noch mal ein großes Lob an die Kölner, die mir die verschweissten Teile sehr unkompliziert vor Ort aus nem anderen W126 rausgeschweisst haben.) Radhausblech rechtes vorderes Stück, sowie Verstärkung Leuchteinheit rechts und links musste ich aber neu beim Herren MB kaufen.

OK, was sagt mein Budget soweit: 700,- für H+S, 300,- für MB. Was sagt meine Werkstatt?

„Wenn der Rahmen nicht verzogen ist, sollten wir das hinbekommen.“ Also dann auf zum Rahmenvermessen. Ergebnis? Er ist zum Glück nicht verzogen! Hürde eins genommen. Also los, Teile kaufen. An dieser Stelle sei mal erwähnt, dass die gegnerische Versicherung drei Monate brauchte, um mir die 3000,- Euro zu überweisen und die eigentliche Reparatur erst Ende Februar losging. Ach ja, und den Winter über hat mir meine Frau ihren geliebten Baby Benz (Smart Roadster) gegeben. Nochmals nen riesen Kuss dafür!

Ab hier geht’s eigentlich schnell: Teile bei meiner Werkstatt vorbeigebracht, Wagen zum Karosseriebauer. Raustrennen von verbogenen alten Teilen und einschweissen der neuen Teile.

Lackierer: Haube und neue Teile lackieren. Meine Werkstatt: Kühler, Stoßstange, Scheinwerfer, Blinker, Elektrik etc. einbauen… Zack, fertig! Kosten für die Reparatur insgesamt? 3.800,- Euro. Leider nur fast, denn beim ersten Motorprobelauf nach der Reparatur hat's 'nen Teil vom ersten Krümmer weggerissen… Folge der Stauchung beim Aufprall.

Kruemmer

Also nochmal EUR 350,- beim Herrn MB für nen Originalteil gelassen. Aber was soll's…

Juni2001

Gesamtfazit: Du machst alles richtig im Strassenverkehr, fährst vorsichtig und vorausschauend, hegst und pflegst Dein Auto. Aber durch einen blöden, nicht verschuldeten Unfall stehste erstmal echt doof da. Doch in diesem Fall kann man mal wieder sagen: Ende gut, alles gut! Na ja fast. Musste halt noch 1150,- Steine für die Reparatur drauflegen. Obwohl… ich habe jetzt dadurch zwei Drittel des Hagelschlags raus durch die „neue“ Motorhaube und weil ich mir beim Teilekauf in Köln gleich noch für 50,- Euro einen „neuen“ Kofferraumdeckel in zypressengrünmetallic gegönnt habe.

von Björn Lehmann

Original: Fünfkommasechs.de | Aktuelles

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